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Copyright: Andi Weiland | Gesellschaftsbilder.de

Das Teilhabegesetz - Änderungen und Reaktionen der Betroffenen

Die Inklusion und Integration behinderter Menschen in der Gesellschaft ist von hoher Relevanz. Dennoch leiden viele Menschen mit Behinderung unter ungerechten Bedingungen, die vor allem finanzielle Nachteile mit sich bringen. Auch das Teilhabegesetz schafft die Probleme, die beispielsweise mit der mangelnden Aussicht auf selbstbestimmtes Sparen einhergehen, nicht aus dem Weg.

Das Ziel des Teilhabegesetzes ist klar: Menschen mit Behinderung sollen einen größeren Anteil ihres Vermögens behalten können, auch wenn Eingliederungshilfe bezogen wird. Folglich sollen die Folgen der Behinderung gemindert werden und die oft langwierigen Abläufe bezüglich der Antragstellung vereinfacht werden. Zudem zielt das Gesetz auf eine bessere Integration behinderter Menschen auf dem Arbeitsmarkt ab. In Regierungskreisen wird die Durchsetzung des Gesetzes, das zudem höhere Freibeträge beim Einkommen und Vermögen verspricht, als Meilenstein der Behindertenpolitik gefeiert.

#NichtMeinGesetz – die Kritik der Betroffenen

Es sind allerdings die Betroffenen selbst, die diesem Gesetz keinerlei Unterstützung bieten. Zwar gewährleistet die Eingliederungshilfe als Sozialleistung Hilfe für Menschen mit Behinderung, die auf intensive Pflege angewiesen sind,  und ermöglicht diesen die Teilnahme am Arbeits- und Sozialleben, aber dennoch können die Bezieher der Eingliederungshilfe lediglich über einen Teil ihres Nettoeinkommens verfügen. Dieser Freibetrag belief sich bis vor der Einführung des Teilhabegesetzes auf den doppelten Hartz-IV-Satz in Höhe von 808€ im Monat. Für Menschen mit Behinderung der Pflegestufe 1 und 2 bedeutete dies, dass bei einer Überschreitung dieses monatlichen Betrags Abgaben an das Sozialamt zu leisten waren. Im Falle der Pflegestufe 3 mussten sogar 40% des Einkommens, das monatlich höher als der erlaubte Betrag war, abgegeben werden. Aufgrund dieser Gegebenheiten sprechen einige Menschen mit Behinderung sogar eine Abneigung gegenüber gut bezahlten Jobs aus.

Neue Maßnahmen des Gesetzesentwurfes benachteiligen viele Betroffene

Der neue Gesetzesentwurf sieht zwar weiterhin Abgaben an das Sozialamt vor, allerdings sollen diese losgelöst von den Hartz-IV-Regelungen erfolgen, wobei das jährliche Bruttoeinkommen als Maßstab dient. Überschreitet dies 30.000€, so umfasst die monatlich zu leistende Abgabe 2% der jährlichen Einkünfte. Dadurch ist zwar eine Unabhängigkeit der Höhe der Abgabe von Wohnsituation, Pflegestufe und den Hartz-IV-Sätzen gewährleistet, was zu einer vermeintlichen Verbesserung der finanziellen Situation von Menschen mit Behinderung beitragen soll, allerdings hat das Gesetz dennoch eine Verschlechterung für viele Betroffene zur Folge.

Zudem ändert sich die Regelung bezüglich des Anspruches auf Eingliederungshilfe. Betroffene müssen eine Einschränkung in fünf von neun Lebensbereichen, in denen sie dauerhaft Unterstützung benötigen, nachweisen können. Sehbehinderte haben so beispielsweise keinen Anspruch auf Mobilitätshilfe.

Keine Chance auf Sparen

Das Teilhabegesetz löst bei vielen Menschen Zukunftsängste aus, da aufgrund der mangelnden Sparmöglichkeiten durch die neuen finanziellen Regelungen kaum eine Aussicht auf das Halten des Lebensstandards im Alter besteht. Bis zu 2.600€ können Bezieher der Eingliederungshilfe sparen – alles, was darüber liegt, zählt zum Vermögen und muss abgegeben werden. Somit haben Betroffene die Qual der Wahl: Die Abgaben in Kauf nehmen oder das Geld schnellstmöglich ausgeben? Basierend auf diesen Gegebenheiten ist es unmöglich, in eine private Altersvorsorge, eine Lebensversicherung oder einen Bausparvertrag zu investieren. Auch Geld, das Menschen mit Behinderung durch Erbe oder Heirat zukommt, unterliegt dem Gesetz und muss an das Sozialamt abgetreten werden. Vor diesem Hintergrund stellt auch die frühzeitig erwartete Rente vieler Behinderter ein weiteres Problem dar, denn die unzureichende Altersvorsorge ist oftmals mit einer starken psychischen Belastung und der Angst vor Altersarmut verbunden.

„Pooling“ als Maßnahme des neuen Gesetzes

Die Überlegung, einen Assistenten für mehrere Menschen einzusetzen, wird als Pooling bezeichnet und mag in manchen Fällen durchaus sinnvoll sein. So z.B. ist für mehrere Gehörlose nur ein Gebären-Dolmetscher notwendig. In anderen Fällen handelt es sich bei dieser Bestimmung allerdings um nichts anderes als eine Sparmaßnahme, die mit dem Risiko der Einschränkung vom selbstbestimmten Leben vieler Menschen mit Behinderung einhergeht. Der bisherige Grundsatz, eine ambulante Betreuung sei einer Stationären wenn möglich vorzuziehen, wird hiermit durchbrochen. Durch die Aufteilung eines Assistenten auf mehrere hilfsbedürftige Menschen besteht die Notwendigkeit einer ständigen Abstimmung untereinander, sodass nicht nur die Gefahr einer Abfertigung in Gruppen entsteht, sondern womöglich auch heimartige Verhältnisse für Menschen, die einen Heimaufenthalt verweigern, begünstigt werden. Die individuelle Bestimmung über den eigenen Tagesablauf wird durch diese Entstehung von Zwangsgemeinschaften immens beeinträchtigt.

Aussichten für die Zukunft

Vor allem in Bezug auf die finanziellen Regelungen des Teilhabegesetzes können noch weitere Änderungen erwartet werden. So ist ab 2017 eine Erhöhung der monatlichen Freibeträge für das Erwerbseinkommen um bis zu 260€ vorgesehen. Ab 2020 soll ein gesamter Freibetrag von 50.000€ umgesetzt sowie auf die Anrechnung des Einkommens und Vermögens des Partners verzichtet werden.

Trotz der Gefahr von Leistungseinschränkungen und einer Abschiebung vieler Betroffenen in die Pflege bildet das Teilhabegesetz eine Grundlage für ein fundamentales Umdenken im Interesse von Menschen mit Behinderung. Auf Seiten der Behinderten besteht ein großer Wunsch auf weitere Verbesserungen, sodass die Selbstbestimmung bezüglich des Wohnorts von Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf und eine vom finanziellen Status unabhängige gesellschaftliche Teilhabe gewährleistet werden kann.

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