Sonderschule oder Integrationsschule?

Die Kindergartenzeit neigt sich langsam aber sicher dem Ende zu, die Frühförderung im Kindergarten hat bereits eine wichtige Rolle in den ersten Lebensjahren des Kindes eingenommen. Nun folgt mit sehr großer Wahrscheinlichkeit die Frage nach der passenden Schule für Behinderte - aber muss es denn unbedingt eine Förderschule sein? Und welche Vor- und Nachteile bietet im direkten Vergleich eine integrative Grundschule?

Der erste Schultag rückt auch für viele behinderte Kinder jedes Jahr aufs Neue näher – aber wohin soll der schulische Weg führen? Viele betroffene Eltern fragen sich in dieser Zeit, woher man eine Orientierungshilfe bekommen kann und welche Kriterien alles bei der Schulwahl des behinderten Kindes zu beachten sind.

Eltern eines behinderten Kindes haben gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention ein Recht auf die freie Wahl der Schulform. Schulische Inklusion oder doch lieber eine gezielte Förderung an einer Sonderschule? Immer mehr Eltern möchten ihr Kind mit sonderpädagogischem Förderbedarf auf eine Regelschule schicken. Beide Wege können die Zukunft des Kindes in verschiedene Richtungen entwickeln lassen. Die Frage, welche Schulart für ein Kind die richtige Wahl ist und welche individuellen Möglichkeiten sich bieten, sollten im Vorfeld der Einschulung wohlüberlegt und ab gewägt werden.

Guter Schulstart für behinderte Kinder

Experten raten dazu, vor der Anmeldung ein aktuelles medizinisches Gutachten sowie ein sonderpädagogisches Gutachten erstellen zu lassen und dies bei der favorisierten Schule vorzulegen, da dies meist von der Schulaufsichtsbehörde eingefordert wird. Sie entscheidet nach dem elterlichen Antrag über den Förderbedarf sowie über sonderpädagogische Förderschwerpunkte. Gemeinsam mit den Eltern wird dann über die passende Einrichtung entschieden. Sonderpädagogischer Förderbedarf kann sich allerdings auch immer wieder wandeln, sodass eine erneute Prüfung durch die Schulaufsichtsbehörde jährlich durchgeführt wird. In solch einem Fall wird neu über den Schulort und die Schulform beraten und es kann ggf. zu einem Schulwechsel kommen. Ein Schulwechsel zu einem späteren Zeitpunkt gestaltet sich womöglich nicht gerade einfach, weshalb auf keinen Fall um jeden Preis forciert werden sollte, das behinderte Kind in eine Regelschule einzuschulen.

Welche unterschiedlichen Schulformen für behinderte Kinder gibt es?

Folgend werden die alternativen Schularten kurz beschrieben sowie die jeweiligen positiven und negativen Aspekte aufgezeigt. Dabei ist anzumerken, dass die Wahl der Schule auch maßgeblich davon beeinflusst wird, welches Handicap vorliegt und wie schwer der Grad der Behinderung des Kindes ist.

Je nach Art der Behinderung gibt es wieder verschiedene Schultypen (z.B. Schule für Lernbehinderte, Schule für Geistigbehinderte etc.). Eine Ausnahme dazu bildet die Schule für Kranke, die meist an Krankenhäusern organisiert ist.

Integrationsschulen - Schulische Inklusion in der Regelschule

Bei dieser Schulform findet der Unterricht für behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam statt. In einer integrativen Klasse, auch „I Klasse“ genannt, werden mindesten zwei Kinder mit Behinderung im Klassenverband unterrichtet. Die Kinder profitieren im Idealfall gegenseitig von Ihren Stärken und Lernen mit eigenen Schwächen und Defiziten der Mitschüler umzugehen sowie sich gegenseitig zu helfen. Die schulische Integration in einer integrativen Schule wirkt positiv auf die Kinder, da sie in einer prägenden Entwicklungsphase den respektvollen Umgang miteinander erlernen und erleben.

Leider fehlt es  zu oft noch an förderpädagogischen Fachkräften, die die Lehrkräfte im Unterrichtsalltag unterstützen können. Viele Lehrer fühlen sich überfordert und im Stich gelassen von der Bildungspolitik. Mit der Barrierefreiheit gestaltet es sich ebenfalls nicht immer leicht, da die Räumlichkeiten in Grund-, Haupt- und Realschulen sowie Gymnasien in der Praxis leider noch nicht lückenlos einem barrierefreien Standard entsprechen.

Mobiler sonderpädagogischer Dienst (MSD) bezeichnet die Unterrichtung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf an einer Regelschule. Der Unterricht wird dabei von einem eigens abgestellten Sonderschullehrer übernommen.

Einzelintegration

Man spricht von einer Einzelintegration, wenn sich nur ein einziges Integrationskind in einer Schulklasse befindet.

Sonderschulen

In Sonderschulen, die im Allgemeinen auch als Förderschulen bezeichnet werden, werden ausschließlich Kinder mit Behinderung in kleineren Klassen unterrichtet. Oft sind die Schulen oder einzelnen Klassen dort auf den unterschiedlichen Förderbedarf bei körperlicher oder geistiger Behinderung, Lernbehinderung, Entwicklungsstörung, Sehbehinderung oder Hörbehinderung spezialisiert. Gerade das speziell geschulte Fachpersonal und die langjährige pädagogische Erfahrung sprechen für diese Art der schulischen Unterrichtung.

Auf der anderen Seite gelten die Isolation und das Unter-sich-bleiben als negativer Aspekt der Förderschulen in Deutschland und können einen späteren Einstieg im Berufsleben erschweren. Der Kontakt zu Kindern ohne Behinderung wird zunehmend als wichtig empfunden, da beide Seiten voneinander profitieren können, die Toleranz gestärkt und Isolation abgebaut wird.

Trotzallem erfreut sich diese Schulform immer noch sehr großer Beliebtheit. Schätzungsweise werden in Deutschland derweil nur 10 % aller körperlich oder geistig behinderten schulpflichtigen Kinder in einer Regelschule unterrichtet. Integrative Schulen sind in vielen europäischen Ländern schon weit verbreitet, wohingegen das deutsche Bildungssystem noch Nachholbedarf aufweist.

Außenklassen

In diesem Fall werden eigenständige Schulklassen einer Förderschule in den Räumlichkeiten einer Förderschule untergebracht, was gleichzeitig die Begrifflichkeit erklärt. Dementsprechend umgekehrt ist dieses Modell ebenfalls denkbar, allerdings auch seltener in der Praxis zu finden. Eine sehr enge und organisatorisch und pädagogisch aufeinander abgestimmte Zusammenarbeit erfordert diese Art der schulischen Integration ohne Zweifel.

Weiterführender Literatur-Tipp der behinderung.org Redaktion:

Allgemeine Sonderschule oder Integrationsschule (Schildt-Messerer, 2014)

Schulische Organisationsformen im ständigen Wandel. Integrierte Modelle sind weiter auf dem Vormarsch. Eine empirische Studie über das elterliche Entscheidungsverhalten zwischen Integration oder Segregation.

 

Integration in der Schule – je früher desto besser

Wann sollte mit der Integration begonnen werden? Hat das Kind bereits eine inklusive Kita besucht, hat es schon Erfahrung gesammelt, sich in einer größeren Gruppe zurechtzufinden. Ein integrativer Unterricht achtet dabei auch besonders auf den sonderpädagogischen Förderbedarf der Integrationskinder. In diesem Zusammenhang fällt der Begriff „offener Unterricht“, aber was genau ist darunter zu verstehen? Da sich nicht an einen strikten Lehrplan gehalten werden muss, kann jedes Kind lernen, sein eigenes Lerntempo einzuschätzen und die gemeinsam Lernziele auf seine Weise zu erreichen. Die Lehrkräfte bieten dabei unterschiedliche Lernmethoden und Aufgaben an und unterstützen die Kinder individuell je nach Bedarf. Wichtig ist dabei, dass jedes Kind sich als Teil der Gruppe fühlt und soziale Teilhabe erleben kann.

Wie findet man geeignete Schulen in der näheren Umgebung?

Welche Kriterien gilt es bei der Wahl der Schulform zu beachten? Ohne Frage ist es sinnvoll, die verschiedenen Schulen vor Ort zu besuchen und sich selbst ein umfassendes Bild über die Lage, das Umfeld und das pädagogische Konzept zu machen. Viele Einrichtungen bieten diese Möglichkeit im Rahmen von Informationsveranstaltungen oder einem Tag der offenen Tür an.

Der Weg zur Schule sollte generell zu kurz wie möglich sein und sich in der Nähe des Wohnorts befinden. Spezielle Sonderschulen sind aber leider oftmals viele Kilometer entfernt, weswegen meistens eigens dafür vorgesehene Schultransportfahrten angeboten werden, die die Kinder morgens am Wohnort einsammeln und nachmittags wieder absetzen.

Auf dem deutschen Bildungsserver sind alle bundesweiten Schulen in einer Datenbank gelistet.

Förderschulen vs. schulische Integration

Es steht außer Frage, dass es keine allgemeingültige Antwort gibt, welche Schulform sich für behinderte Kinder besser eignet und immer im Einzelfall entschieden werden sollte. Im Fokus muss dabei sowohl das Wohl und die Bedürfnisse des Kindes als auch die individuellen Fähigkeiten und Eigenschaften stehen. Eine ausführliche Beratung von den aktuell betreuenden Pädagogen im Kindergarten sowie dem pädagogischen Fachpersonal an den entsprechenden Schulen ist meist schon aufschlussreich und kann enorm bei der Entscheidungsfindung helfen. Zögern Sie also nicht, besuchen Sie die geeigneten Schulen persönlich und suchen Sie das Gespräch mit den Kollegen.

Und nach der Schule? Weiter geht es mit einer Ausbildung oder einem Studium. Auch ein freiwilliges Werkstattjahr in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) ist eine mögliche Option, um sich beruflich zu orientieren.