Gebärdensprache

Täglich nutzen wir unsere Sprache, sehen dies als selbstverständlich an und denken wohl kaum daran, wie kompliziert das Leben ohne unsere Sprache wäre. Für Menschen ohne Gehör funktioniert die Kommunikation allerdings genauso gut auf einem anderen faszinierenden Weg.

Die in Deutschland gesprochenen offizielle deutsche Gebärdensprache (DGS) ist ein vollwertiges Sprachsystem samt ausgeprägter Grammatik wie auch unsere akustisch-auditive Sprache. Die Gebärden werden durch verschiedene Körperteile wie Hände, Arme, Gesicht, Kopf usw. visuell-motorisch dargestellt. Der Begriff Gebärden umschreibt aber noch mehr als die zeichenhafte Bewegung bestimmter Körperteile, die hörgeschädigten Menschen eine nonverbale Kommunikation mit ihren Mitmenschen ermöglicht. Jeder von uns verwendet Gebärden tagtäglich und zumeist unbewusst über die eigene Körpersprache. Unsere Mimik und Gestik unterstützt und ergänzt die verbale Kommunikation. Natürlich folgen diese nicht dem durchdachten Schema der offiziellen Deutschen Gebärdensprache, aber auch hier lassen sich Muster erkennen.

Der Begriff „Visuelles Denken“ wurde in diesem Zusammenhang geprägt und macht deutlich, dass mithilfe der Gebärdensprache wirklich alles, was man sich vorstellen bzw. was gedacht werden kann, auch durch Gebärden ausgedrückt werden kann. Ganz egal, ob man nur kurz über das Wetter plaudern oder eine tiefgehende politische Diskussion führen möchte.

Wie viele gehörlose Menschen leben in Deutschland?

Gegenwärtig gibt es bundesweit ca. 80.000 Menschen, die an Gehörlosigkeit leiden und die Gebärdensprache tagtäglich verwenden. Es gibt verschiedene Ursachen für die Gehörlosigkeit. Einige Menschen sind von Geburt an ohne Gehör, während andere eine Schädigung erst im Verlauf Ihres Lebens erwerben. Durch Krankheiten wie Mumps, Masern, Meningitis oder Mittelohrentzündung kann es zu einem postnatal erworbenen Hörschaden bis hin zur völligen Taubheit kommen.

Gehörlose in Deutschland und der Begriff Taubstumm

Taubstumm wird als Begriff heutzutage immer seltener verwendet und von den Gehörlosen als unzutreffend empfunden, da sie dank der vielfältigen Gebärdensprache alles andere als stumm sind. Die Zeichensprache  steht unserer gesprochenen Sprache in nichts nach. Der Begriff Taubstumm ist demnach veraltet und wird unter Gehörlosen nicht verwendet.

Was es bedeutet, gehörlos zu sein

Hörgeschädigt zu sein, ist nicht gleichzusetzen mit dem Begriff der Gehörlosigkeit. Laien mögen darunter zwar das gleiche verstehen, allerdings gibt es einen wesentlichen Unterschied. Als gehörlos werden in der Medizin solche Menschen bezeichnet, die Geräusche erst ab einer Lautstärke von mind. 90 Dezibel wahrnehmen können. Eine Hörschädigung wird demnach in Gehörlosigkeit und Schwerhörigkeit sowie Taubheit unterschieden.

Mit Gehörlosen kommunizieren

Wenn man mit einem Gehörlosen kommunizieren möchte, sollte man zunächst dessen Sichtfeld betreten und anschließend einen festen Blickkontakt aufbauen. Anschließend sollte man versuchen, sich möglichst langsam und deutlich zu artikulieren, damit die Lippenbewegungen ohne Mühen verfolgt werden können. Die Sätze sollten möglichst kurz und leicht verständlich sein. Notfalls kann man auch Zettel und Stift zur Hand nehmen, um sich über die Schrift zu verständigen.

Deutsches Fingeralphabet

Die auch als Daktylologie bekannte Fingersprache wird in der Gebärdensprache des Öfteren als Hilfsmittel eingesetzt, wenn einem die Gebärde eines Fremdworts oder Fachbegriffs nicht geläufig ist. Auch werden damit Eigennamen, Markennamen oder Begriffe wie Filmtitel anhand der Schreibweise Ihrer Buchstaben mit der Hand nachgebildet bzw. buchstabiert.

Unterscheiden sich die Gebärdensprachen von Land zu Land?

Nicht nur unterschieden sich die verschiedenen Gebärdensprachen je nach Herkunftsland, sondern es gibt sogar verschiedenen Arten von Dialekten innerhalb einer anerkannten Gebärdensprache. Allerdings ähneln sich die Gebärdensprachen untereinander im Gegensatz zu vielen gesprochenen Sprachen stark, sodass sich viele Gehörlose aus verschiedenen Ländern trotz allem gut miteinander verständigen können. Die weltweit am meisten verwendete Sprache ist die zumeist in Nord- und Zentralamerika verbreitete American Sign Language (ASL). Es existiert sogar eine internationale Gebärdensprache, nämlich die International Sign Language (ISL), die die Kommunikation zwischen gehörlosen Menschen mit verschiedenen Gebärdensprachen aus aller Welt noch weiter vereinfacht.

Gibt es eine Art Gehörlosenkultur?

Die Antwort lautet ganz eindeutig ja. Jede Sprache entwickelt bekanntlich auch eine Art eigene Kultur, im Fall der Gehörlosenkultur ist die Gebärdensprache das wichtigste gemeinsame Merkmal. Durch die häufige soziale Isolation und Ausgrenzung von Gehörlosen, fühlen sich viele Gehörlose am wohlsten, wenn sie in Ihrer Muttersprache kommunizieren können. Zumeist wird dies natürlich mit anderen Betroffenen oder engen Familienmitgliedern realisiert, die die Gebärdensprache ebenfalls beherrschen.

Gebärdensprache lernen

Für Menschen, die von Geburt an taub sind, ist die Gebärdensprache gleichzeitig auch Muttersprache. Das bedeutet weiterhin, dass sie in Gebärden statt in Worten denken. Viele Menschen, die die Gebärdensprache nicht selbst beherrschen, fasziniert diese Art der Kommunikation auf vielfältige Art und Weiße. Manchmal hat man das Gefühl der Mund und die Worte, die ihm entspringen, kommen automatisch und ohne jegliche Mühe. Nur schwer kann man sich vorstellen, sich so viele verschiedene Zeichen und Bewegungen anzueignen und in Sekundenschnelle abzurufen, da wir selbst jede Gebärde wie eine neue Vokabel erlernen müssen. In der Gebärdensprache kann man mithilfe der eigenen Mimik darstellen, ob es sich um einen Frage-Befehls- oder Aussagesatz handelt. Kommen in einem Satz mehrere Dinge vor, wird die Beziehung zwischen dem Subjekt und den Objekten durch unterschiedliche Richtungen der Verbgebärden visualisiert.

Um einen ersten Eindruck zu erhalten, wie eine Konversation aussieht, braucht man nur den Fernseher einzuschalten. Auf einigen Kanälen gibt es beispielsweise Nachrichten oder Dokumentationen die in Gebärdensprache übersetzt sind. Die Tagesschau mit Gebärdensprache wird schon seit vielen Jahren übertragen und das Programmangebot für Hörgeschädigte wird auch von privaten Sendern zunehmend ausgebaut.

Gebärden lernen leicht gemacht

Als interessierter Einsteiger kann man verschiedenen Quellen nutzen, um sich die Gebärdensprache beizubringen. Ein Gebärdensprachkurs ist durchaus hilfreich, da man sich in der Gruppe gleich am Gegenüber versuchen kann und die wechselseitige Kommunikation sowie gemeinsames Gebärden wie Vokabeln lernen vielen leichter fällt. Außerdem ist weiterführende Literatur zum Thema Gebärdensprache beispielsweise in Form eines Gebärdenlexikon optimal. Es bietet einen guten Einstieg in die Thematik vor allem zu Beginn der Lernphase. Ein erster wichtiger Schritt besteht darin, sich das Gebärden Alphabet anzueignen.

Das kleine Wörterbuch der Gebärdensprache zeigt alle wichtigen Zeichen und grundlegenden Strukturen Schritt für Schritt:

Kleines Wörterbuch der Gebärdensprache (Strixner/Wolf, 2014)

Praktischer Ratgeber für Laien, um sich im Alltag mit gehörlosen Menschen zurechtzufinden. Besonders praktisch sind die Beispiele aus dem täglichen Leben und das übersichtliche Gebärden ABC.

 

Im digitalen Zeitalter findet man mittlerweile auch eine Menge Videos auf der Videoplattform Youtube, die einem beim Erlernen der Gebärdensprache unterstützen.

Dolmetschen für Gehörlose und Hörende

In vielen alltäglichen Situationen verlassen wir uns auf unser Gehör. Beim Behördengang, auf der Arbeit oder in der Universität wären wir ohne unser Gehör allerdings ziemlich aufgeschmissen. Spätestens nach dem im Jahr 2002 erlassenen Gleichstellungsgesetz wird die Barrierefreiheit für Gehörlose an solchen Plätzen stärker eingefordert und umgesetzt, nicht zuletzt mithilfe von Dolmetschern. Solche Gebärdensprachdolmetscher sind in der Lage sowohl für Gehörlose als auch für Hörende wechselseitig zu übersetzen. Die Ausbildung zum Gebärdendolmetscher wird als Hochschulstudium an verschiedenen Universitäten angeboten.

Deutscher Gehörlosen-Bund und Gehörlosenvereine

Der deutsche Gehörlosen-Bund besteht aus einem Zusammenschluss von 26 einzelnen Interessen- und Landesverbänden, durch die ca. 30.000 Mitglieder aus über 600 Vereinen organisiert werden.

In einer Präambel wird die Definition „Gehörlosigkeit“ soweit beschrieben, als das sich der Begriff „nicht nur um die Hörbehinderung, sondern auch an der Identifikation mit der Gebärdensprachgemeinschaft und Gehörlosenkultur orientiert.“

Innerhalb der Gehörlosenkultur nehmen gemeinsame sportliche Aktivitäten in Vereinen einen wichtigen Platz ein. Es gibt zahlreiche Sportvereine für Gehörlose in ganz Deutschland. Die Deaflympics sind ein internationaler Wettbewerb für den Gehörlosensport und werden ebenso wie die Paralympics alle 4 Jahre ausgetragen.

Institut für Deutsche Gebärdensprache und Kommunikation Gehörloser

Im Rahmen einer Lehrveranstaltung stellten wir als eine Möglichkeit der Nutzung von multimedialen Komponenten wie Grafiken und Video die Gebärdensprache in den Mittelpunkt. Das Resultat ist auf dem Server der Erziehungswissenschaften der HU Berlin abgelegt.

Zentrum für Deutsche Gebärdensprache und Kommunikation Gehörloser